Corona stellt gerade die freie Kulturszene vor bislang ungeahnte Herausforderungen. Doch wer sind die Künstler*innen, Theaterschaffenden und Netzwerkvertreter*innen, die mit ihrem Wirken die bayerische Szene prägen?
In einer neuen Interviewreihe stellt der Verband Freie Darstellende Künste Bayern e.V. seine Mitglieder vor.
Den Auftakt macht das Sensemble Theater in Augsburg.
Wo liegen die Schwerpunkte eurer Arbeit? Wie würdet ihr euer künstlerisches Profil beschreiben?
Unsere Schwerpunkte liegen im Bereich zeitgenössisches Theater und Gegenwartsdramatik. Wir reagieren zeitnah auf gesellschaftliche Entwicklungen und setzen diese in Szene – so wurden schon über 50 Uraufführungen realisiert. Uraufführungen wie „Hamlet for You“ oder „Marathon“ werden national und international nachgespielt. Zahlreiche Stücke und Stückaufträge beziehen sich aber auch direkt auf die Augsburger Geschichte.
Für zusätzliche Projekte wie die „Augsburger Gespräche zu Literatur und Engagement“ kooperieren wir z.B. mit der Uni Augsburg und dem Friedensbüro der Stadt – und engagieren uns für eine Weiterentwicklung der Kulturszene der Stadt Augsburg.
Als Mitglieder im bundesweiten flausen+-Netzwerk und Veranstalter internationaler Festivals (Internationales Gavran-Fest, Internationales Improtheater-Festival) sind wir einerseits fest regional verwurzelt, andererseits auch überregional sehr aktiv.
Seit wann besteht euer Theater und wie hat sich dieses seit der Gründung gewandelt?
Aus einer Studententheatergruppe heraus gegründet, professionalisierte sich das Sensemble um Theaterleiter Sebastian Seidel schnell. Seit 2000 betreibt das Sensemble Theater eine eigene Spielstätte für zeitgenössisches Theater in der Kulturfabrik.
Gibt es ein Ereignis oder Projekt, das in eurer künstlerischen Tätigkeit einen ganz besonderen Raum einnimmt?
Kein einzelnes Projekt, sondern eher eine Haltung: Wir sind ein Theater, das nach wie vor auf das geschriebene Wort setzt. Ein literarisch lebendiges Theater. Da sind zum Beispiel die Uraufführungen aus unserer „Werkstatt für neue Dramatik“: Stücke, die in Augsburg geboren werden und überregional und international nachgespielt werden.
Teil unserer Tätigkeit sind auch Stückentwicklungen, Projekte wie die „Quickies“-Theaternächte mit kleinen Uraufführungen sowie deutschsprachige Erstaufführungen wie die Stücke von Miro Gavran.
Die gegenwärtige Situation stellt Künstler*innen vor existentielle Herausforderungen. Was möchtet ihr Politik und Gesellschaft vor diesem Hintergrund mit auf den Weg geben?
Wir befinden uns im „Katastrophenfall“ – die Vorgänge in der Verwaltung wirken aber wie im „Normalfall“ hängengeblieben. Die Künstler*innen und die Kunst wurden zu lange als nicht „systemrelevant“ eingestuft, in Verlautbarungen nicht erwähnt und in Regelungen nicht bedacht. Wenn es nicht endgültig still werden soll im Bereich Kunst und Kultur, darf das nicht wieder geschehen. Wir persönlich setzen uns für ein Bürger*innengeld ein, das die Situation entschärfen könnte.
Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, um in die Zukunft zu blicken und sich zu überlegen, wie wir in dieser Zukunft leben wollen. Ein Zurück zum Davor darf es nicht geben.
Wie kann man euch und eure Arbeit aktuell unterstützen?
Eine Möglichkeit der Unterstützung sind natürlich direkte Spenden bzw. der Kauf von Gutscheinen für die Zeit „danach“.
Auf unserer Website www.sensemble.de versuchen wir mit kurzen digitalen Angeboten, den Kontakt zu unseren Zuschauer*innen zu halten. Grundsätzlich lebt Theater, wie wir es machen, vom Live-Erlebnis mit Zuschauer*innen und vom Gespräch nach der Vorstellung an unserer Theater-Bar. Um den so wichtigen Kontakt zu unseren Gästen zu halten, stellen wir aber immer wieder kurze Ausschnitte aus Aufführungen online und planen, eine Lesereihe zu streamen.