Offener Brief an die Bayerische Staatsregierung

Der Verband Freie Darstellende Künste Bayern (vfdkb) fordert ein Ende des Kulturnotstandes in Bayern und drastische Nachbesserungen der Coronapolitik sowie der bestehenden Hilfsprogramme.

Die Ungleichbehandlung des Kulturbereichs bei den Coronaschutzmaßnahmen hat zu einem weiteren De Facto-Lockdown vor allem im freien Kulturbereich geführt, der die Existenzbasis der Soloselbstständigen akut gefährdet und das Recht auf kulturelle Teilhabe in Bayern unterminiert.

Kunst und Kultur sind Leidtragende einer Coronapolitik, die valide wissenschaftliche Erkenntnisse zum geringen Infektionsrisiko im Kulturbereich nicht anerkennt. Vor diesem Hintergrund fordert der vfdkb im Zusammenschluss mit weiteren bayerischen Kulturverbänden die sofortige Nachbesserung folgender Punkte:

Wir fordern, die Ungleichbehandlung des Kulturbetriebs gegenüber vergleichbaren Bereichen von Wirtschaft und öffentlichem Leben sowie den Ausschluss ungeimpfter Minderjähriger aus dem rezeptiven und partizipativen Kulturbetrieb schnellstmöglich zu beenden.

Für die Kulturschaffenden aller Sparten und das Kulturpublikum ist es nicht vermittelbar, warum eine Kulturveranstaltung mit 2G+ und FFP2-Maske und 25%-Raumauslastung belegt wird, während z.B. die angeschlossene Gastronomie mit 2G ohne Maske und ohne Abstand arbeiten kann. Geradezu obszön ist die geltende 75%-Belegung von Gondelbahnen aus wirtschaftlichen Gründen, bei gleichzeitiger 25%-Belegung in der Oper oder auf freien Bühnen.

Wir fordern eine schnelle Nachbesserung der bestehenden Hilfsprogramme und einen
Wiederaufbau des Kulturbereichs nach Corona mit sinnvollen Projektstipendien für freie Kunst- und Kulturprojekte. Die bewilligten und nicht abgerufenen Haushaltsmittel des Stipendienprogramms sollen verwendet werden z.B. für Projekte im Rahmen von “Bayern spielt 2022!


Bisher sind insgesamt nur ca. 1600 von 5000 Stipendien für Berufsanfänger*innen angefordert. Es besteht ein Restbudget von 12 Mio. EUR allein bei dieser Förderlinie. Die Antragszahlen auf Soloselbstständigenhilfe liegen weit hinter der erwarteten Menge.

Das hat Gründe: Zugangshürden, die einen Abruf der Programme durch die Betroffenen behindern (beispielsweise war das Stipendienprogramm für Literatur ungeeignet), Künstler*innen-Honorare werden nicht anerkannt, Hybridexistenzen fallen durchs Raster der Soloselbstständigkeit, juristische Unsicherheiten bestehen fort.

Wir fordern die Aufstockung und Überarbeitung der Regelförderprogramme des StMWK, des StMUK und des Kulturfonds für Kulturprojekte mit Schwerpunkt:

  • Aufstockung der Förderung der freien Szene
  • Einführung eines Mehrsäulensystems, das Produktion, Recherche, Austausch und Vermittlung der Künste stärkt
  • Innenstädte beleben
  • Kunst im öffentlichen Raum
  • Kultur im ländlichen Raum
  • Politische Bildung

Die gesellschaftlichen Herausforderungen nach Corona sind unter anderem mit den Mitteln der Kultur lösbar. Die regulären Projektmittel im Bereich Kunst, Kultur und Kultureller Bildung vor allem in freier Trägerschaft sind in Bayern traditionell unterbudgetiert. Die dafür zur Verfügung stehenden Förderwerkzeuge müssen massiv ausgebaut und an die künstlerische und kulturelle Praxis angepasst werden.

Wir fordern eine grundsätzliche Umorganisation der Förderlandschaft Bayerns: Weg von der Nothilfe – hin zu nachhaltigen Investitionen in eine lebensfähige Kultur in Bayern.

Wir brauchen einen neuen Fokus auf die Investition in kleinteilige und dezentrale Strukturen des Kunstsystems, angemessene Bezahlung kreativer freiberuflicher Leistung und eine gleichmäßige Übernahme der Verantwortung bei der Förderung von Kunst und Kultur zwischen Bund, Land, Kommunen und Privatwirtschaft.

2 Kommentare zu „Offener Brief an die Bayerische Staatsregierung

  1. Auch ohne Augenarzt oder Optiker zu sein, bestätigt sich meine Einschätzung, dass wir Kulturschaffenden im Sichtfeld der Politik in einer unscharfen Randzone herumschummern, irgendwo weit außerhalb des dollarfarbenen Bereiches der Systemrelevanz. Unsere Notwendigkeit und Nöte erscheinen bei den staatslenkenden Damen und Herren allenfalls als blasse Schatten. Die krasse Ungleichbehandlung macht diese Tatsache deprimierend offensichtlich.

    Euer Brief wird von den angesprochenen Damen und Herren zwar vermutlich bestenfalls als das Husten eines Flohs wahrgenommen werden, aber wichtig und treffend ist er dennoch!

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