Seit 2022 kooperieren laPROF Hessen und vfdkb im Rahmen einer #takeheart-Netzwerk- und Strukturförderung des Fonds Darstellende Künste.
Ein wichtiger Meilenstein in der gemeinsamen kulturpolitischen Arbeit: Die Konferenz „2122 – Wer werden wir* gewesen sein?“ am 22. und 23. November 2022 im Frankfurter studioNaxos. Mitglieder und Vertreter*innen der beiden Landesverbände diskutierten gemeinsam mit kulturpolitischen Aktivist*innen und Akteur*innen aus der Wissenschaft, was in den nächsten Jahrzehnten geschehen muss, damit die süddeutsche freie Szene zur Hundertjahrfeier der Konferenz – also 2122 – mit Anerkennung auf die Veranstaltung zurückblickt…
Wer wollen wir gewesen sein?
Diese Frage trieb die anwesenden Kulturschaffenden während der zwei Tage im studioNaxos um. Im Rahmen von Impulsvorträge und Diskussionsrunden überlegten die hessischen und bayerischen Kulturschaffenden gemeinsam, was für eine nachhaltige und gerechtere Zukunft der freien darstellenden Künste geschehen muss und welches Rüstzeug hierfür gebraucht wird. Als Impuls in Sachen diversitätsorientiertes Arbeiten vermittelte Joanna Mechnich, Trainerin für rassismuskritische und intersektionale Bildungsarbeit, den anwesenden Künstler*innen zum Auftakt der Veranstaltung die Ideenwelt des Afrofuturismus – und ein Kunstschaffen jenseits einer unhinterfragt hegemonial-weißen Perspektive. Die „Initiative für Solidarität am Theater “ (ISaT) lud die Teilnehmer*innen indes zu Reflexionen über diskriminierungs- und enthierarchisierte Arbeitsstrukturen ein.
Volkswirtin und Historikerin Friederike Habermann skizzierte wiederum die Grundzüge einer „Ecommony„, also einer Commons-basierten Wirtschaft, die auf die gemeinsame Pflege und Organisation von Gemeingütern, Wissen bzw. ökologischen und technischen Ressourcen setzt statt auf eine Logik des bloß profitorientierten Wettbewerbs – Ideen, die auch mit Blick auf die Praktiken der Kulturpolitik und die Arbeitsweisen der freien Szene im Anschluss intensiv diskutiert wurden.
Habermanns Impulse schlugen eine Brücke zu den Vorschlägen des experimentellen Stadtforschers und Performancekünstlers Lars Moritz, der ein Bild der Stadt der Zukunft zeichnete, in der Kunst als selbstverständlicher Teil langfristiger Stadtentwicklung fungiert und in der polyzentrischen Stadt so zahlreiche wie diverse Orte kritischen Engagements anbietet. In der Diskussion mit Konferenz-Teilnehmer*innen kristallisierte sich die Erkenntnis heraus, dass Zukunftsvisionen stets aufs Neue aktualisiert und, etwa mit Blick auf eine mögliche klassistische Struktur einer solchen Stadtgesellschaft, stets kritisch hinterfragt werden müssten. „Statt uns in Dystopien und Zynismus zu verlieren, müssen wir unsere hübschen Kunstwelten verlassen – und aufhören, uns auf ein Publikum zu fokussieren, das ohnehin schon unserer Meinung ist“, so Moritz‘ Fazit der Austauschrunden. Einblick in die künstlerische Transformation von Räumen bot Martin Schick mit seiner Präsentation der Schweizer „Unlearning Center“, in denen Projekte zum Um- und Entlernen umgesetzt und erlebt werden können. Praktisch umsetzen konnten die Konferenzteilnehmer*innen die Impulse ihrerseits im Rahmen einer raumverändernden Live-Performance „zum Mitmachen“, angeleitet von den 3 hasen oben.
Wer waren wir einst? Wer sind wir jetzt?
Dabei stand für die versammelten Kulturschaffenden fest: Ein Nachdenken über die Zukunft ist ohne eine kritische Auseinandersetzung mit der Vergangenheit nicht zielführend. Die Dringlichkeit aktiver Erinnerungsarbeit auch in den freien darstellenden Künsten demonstrierten Performance-Künstler*in Nix und Jule Kriesel von laProf Hessen, die im Rahmen einer performativen Führung Einblick in die Vergangenheit des heutigen Kreativzentrums Naxos gaben: Bis in die NS-Zeit Produktionsstätte des Schleifmaschinenbauers „NAXOS Union“ und in Besitz der jüdischen Unternehmer*innenfamilie Pfungst, wurden Menschen aus ganz Europa nach der Enteignung der Pfungsts durch die Nazis in den Räumen des heutigen Kunstareals als Zwangsarbeiter*innen ausgebeutet.
Die Gegenwart des nur scheinbar Vergangenen fand auch in den visuellen und musikalischen Performances eindringliche Verhandlung: Während das Egozen Collective mit ihren KI-basierten Video-Installationen und die Soundkünstlerin Magda Drozd mit ihren klanglichen Landschaften das ghostly matter des Ortes sichtbar machten, brachte die Sängerin, Tänzerin und Wissenschaftlerin Amelia Uzategui Bonilla peruanische Lieder und Tänze, die den emanzipatorischen Kämpfen lateinamerikanischer Frauen bzw. der Mitglieder der queeren Community künstlerischen Ausdruck verleihen, zur Re-Inszenzierung. Komplementiert wurden diese performativen Reflexionen durch von den Schauspielerinnen Cornelia Niemann und Anja Becker vorgetragene Texte des Organisationsteams zum „Weißen Schweigen“ der Mehrheitsgesellschaft, zu den emotionalen und mentalen Mechanismen in der „Theaterhöhle“ oder dem Kunstschaffen für und von Maschinen.
Besonderes Begleitprogramm des Netzwerks „Performing for Future„
Das bundesweite Netzwerk „Performing for Future“, das sich mit Fragen der Nachhaltigkeit in den darstellenden Künsten auseinandersetzt, wartete im Rahmen der Konferenz mit einem besonderen Begleitprogramm auf. Während einer „Traumreise“ via ICE von München nach Frankfurt am Main und im Rahmen eines „Frühstücks for Future“ diskutierten sie mit den Kulturschaffenden die nachhaltige Transformation der freien darstellenden Künste auf ökologischer wie auf sozialer und ökonomischer Ebene.
Den Bericht der Kultur- und Transformationsmanagerinnen Valeria Geritzen und Diana Palm könnt ihr HIER nachlesen.
Eine Kooperation zwischen laPROF – Landesverband professionelle Freie Darstellende Künste Hessen e.V. und Verband Freie Darstellende Künste Bayern e.V. gefördert vom Fonds Darstellende Künste aus Mitteln der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien im Rahmen von NEUSTART KULTUR.