Mit Entsetzen haben wir den von der Landesregierung in den Landtag Nordrhein-Westfalen eingebrachten Haushaltsentwurf für das Jahr 2024 zur Kenntnis genommen. Dieser Entwurf mit einer Kürzung des Kulturetats um rund 7 Millionen Euro widerspricht der im Koalitionsvertrag der Landesregierung vorgesehenen Steigerung des Kulturetats um 50 Prozent massiv.
Dieses Vorhaben irritiert zutiefst, da es konträr zu einer von der NRW-Landesregierung ausgehenden und national ausstrahlenden Initiative steht, nämlich zur gesetzlich verbrieften Verpflichtung zur Zahlung von Mindesthonoraren bei Landesförderungen. Wenn NRW hier nicht in eine baldige und mit Geld hinterlegte Umsetzung kommt, ist dies ein fatales Zeichen an die restlichen Bundesländer.
Als bayerischer Landesverband der freien darstellenden Künste schließen wir uns unserem Bundesverband in seiner Forderung an die Landesregierung von Nordrhein-Westfallen an, auf Basis des Kulturgesetzbuchs für NRW die freie Kunst- und Kulturszene durch eine angemessene finanzielle Ausstattung im Haushalt für das folgende Jahr zu stärken.
Vom 8. bis 12.11. werden wir gemeinsam mit tschechischen Künstler:innen in München, Nürnberg und Bamberg bayerische Kulturschaffende, Institutionen und Verwaltungsakteur:innen kennenlernen, an Workshops teilnehmen, Performances realisieren und unsere bilaterale Vernetzungsarbeit verstärken.
Gedanken zur Delegationsreise nach Pilsen und Prag vom 05.06. bis 09.06.2023 im Rahmen der „Bavarian-Czech-Platform for the Independent Performing Arts“
von Julia Opitz
Gemeinschaft auf Zeit
Nicht etwa ein vollgefülltes Programm, das sofort innere Überforderung hervorrufen könnte, stand im Zentrum des viertägigen Zusammenkommens bayerischer mit tschechischen Akteur:innen der freien darstellenden Künste im Juni 2023 in Pilsen und Prag. Vielmehr bildete das gemeinsame Erkunden freier (Denk-)Räume den Fokus – stets geprägt von einem echten gegenseitigen Interesse zwischen den Projektbeteiligten aus ganz Bayern, Pilsen und Prag. Der Geist dieser außergewöhnlichen Tage evozierte ein besonderes Hier und Jetzt, eine Gemeinschaft auf Zeit sozusagen, in der Wissenstransfer, das stetige Erkunden neuer (performativer) Landschaften und das Knüpfen von Kontakten sich scheinbar beiläufig als neue Alltagspraxis etablierte.
Neue Netzwerke fanden ihren Anfangspunkt, gegenwärtige künstlerische Arbeitsformen lokaler Akteur:innen wurden erforscht, inszenatorische Handschriften kennengelernt, diskursive Rahmungen gemeinsam erörtert und der Blick immer wieder auf europaweite kulturpolitische Fragestellungen gerückt: Wer sind WIR, wer wollen WIR (gemeinsam) sein und was brauchen WIR dafür?
Pilsen: Neue Räume
Durch den Besuch zweier verschiedener Pilsener Kulturorte konnten die Reisenden aus Bayern schnell vielseitige Eindrücke darüber gewinnen, was die Theaterlandschaft dieser architektonisch wie atmosphärisch sehr eindrücklichen Stadt ausmacht: „Wenn Installationen die Innenhöfe schmücken, Kultur unter Lichterketten stattfindet und die Theaterräume mit eigenen Bars und Cafés immer gleichzeitig Orte der Nachbarschaft und Begegnung sind, ist man in Tschechien angekommen“, so Delegierte Paulina Platzer in ihrer Reflexion über die Reise. Und ich kann dieser Skizzierung nur zustimmen. Wir besuchten das „Depo 2015“, eine ehemalige Zuckerfabrik und später Lagerhalle für Busse, die 2015, als Pilsen den Titel „Kulturhauptstadt Europas“ erhielt zum multifunktionalen Kulturort um-entwickelt wurde. Das „Depo 2015“ bietet ausreichend Platz für Formate wie u.a. Ausstellungen, Performances, Konzerte aber beispielsweise auch für das kreative Arbeiten in Werkstätten und Ateliers oder sog. Pop-Up-Stores.
Zudem besichtigen wir die „Moving Station“, eine architektonisch wunderschön anmutende ehemalige Wartehalle eines Bahnhofs, die zum Theater umfunktioniert wurde und sahen dort eine Performance tschechischer Künstler:innen aus dem Bereich des zeitgenössischen Zirkus. Beide Spielortbegehungen und vor allem die Begegnungen mit den Menschen vor Ort hinterlassen große Faszination bei allen Delegationsmitgliedern.
In Prag stand die Teilnahme an einer zweitägigen internationalen Konferenz zu gesellschaftlichen und kulturpolitischen Fragestellungen in verschiedenen Ländern Europas als gemeinsame Aktivität der bayerischen Delegation im Mittelpunkt. Verantwortet durch den tschechischen Verband „And. Čr“ und verbunden mit „EAIPA“ (European Association of Independent Performing Arts) bat die Konferenz erstmals die Möglichkeit, die bayerisch-tschechische Plattform einem internationalen Fachpublikum zu präsentieren. Die Initiator:innen Julia Opitz und Axel Tangerding für die bayerische Seite sowie Kryštof Koláček, der selbst die europaweite Konferenz konzipierte, und Petr Dlouhý für die tschechische Seite sowie alle 17 bayerische Delegierte sprachen über Ideen des Austauschs und die vielseitigen Potenziale der Vernetzung „aus und in nächster Nähe“.
Jenseits des vielstimmigen Tagungsprogramms, das diverse europäische Perspektiven auf Theater, Performance, Tanz und Kulturpolitik sichtbar machte und reflektierte sowie u.a. die Themen Nachhaltigkeit, Förderstrukturen, postpandemische Anforderungen, politische Repression fokussierte, arrangierte Kurator und Projektleiter Petr Dlouhý individuelle Begegnungen zwischen bayerischen Akteur:innen und tschechischen lokalen Partner:innen. Im Rückblick auf die Reise und die Vernetzungspotenziale wurden diese Begegnungen von Seiten der bayerischen Delegation als besonders wertvoll eingeschätzt.
Nicht zuletzt zeigten bayerische Künstler:innen aus Ansbach und München ihre Arbeiten in Prag, sodass nicht nur die Reisegruppe aus Bayern ein diverses Programm aus abendfüllenden lokalen Inszenierungen erleben konnte, sondern auch die tschechische lokale Szene erste Einblicke in Arbeitsweisen aus Bayern erhielt.
Auf struktureller Ebene ist besonders hervorzuheben, dass Verterter:innen der beiden Verbände, die das Plattform-Projekt kooperativ tragen („And. Čr“ & „vfdkb“ ) in einen persönlichen Austausch kamen und nun – in persönlicher Verbindung zueinander – längerfristig kooperieren wollen.
Resümee: Offen sein, Perspektiven erweitern, gemeinsam gestalten
Vielseitige Gespräche über Arbeitsformen, kulturelle Praxen und jeweils lokal gegebenen Strukturen prägten den Austausch aller derer, die einander begegneten in diesen vier Tagen. Ebenso von großer Bedeutung für ein wachsendes Miteinander war der Besuch künstlerischer Veranstaltungen, in die wir als bayerischen Gäste mehrfach eintauchen durften.
Und es wird weitere gegenseitige Besuche geben, zum Glück. Im Herbst in einigen Städten Bayerns, im Jahr 2024 – sollte die Finanzierung von bayerischer Seite dafür ausreichend gefunden werden – dezidiert in ländlicheren Räumen Tschechiens und Bayerns. Wissensaustausch und kreative Formen der Begegnung werden für die Weiterentwicklung der bayerisch-tschechischen Plattform zentral bleiben, genauso wie Prozessorientierung und Ergebnisoffenheit.
Temporary community: Sharing knowledge, exploring new things, meeting each other – being with each other
Thoughts on the delegation trip to Pilsen and Prague from 05.06.-09.06.2023 within the framework of the Bavarian-Czech Platform for the Independent Performing Arts
by Julia Opitz
The four-day meeting of Bavarian and Czech actors of the independent performing arts in Pilsen and Prague in June 2023 did not focus on a packed programme that could immediately cause inner overload. Rather, the focus was on exploring free (thinking) spaces together – always characterised by a genuine mutual interest between the project participants from all over Bavaria, Pilsen and Prague. The spirit of these extraordinary days evoked a special here and now, a temporary community, so to speak, in which knowledge transfer, the constant exploration of new (performative) landscapes and the forging of contacts established themselves seemingly casually as a new everyday practice.
New networks found their starting point, current artistic forms of work by local actors were explored, signatures of staging were learned about, discursive frameworks were discussed together and the focus was on Europe-wide cultural-political questions: Who are WE, who do WE want to be (together) and what do WE need for this?
Diverse conversations about cultural practices and local structures shaped the exchange between all those who met during these four days. Equally important for a growing togetherness was the visit to artistic events of local actors, in which we could immerse ourselves as „Bavarian“ guests in Pilsen and Prague. And not to forget the various visits to venues whose representatives met us with great openness and warmth. „When installations decorate the courtyards, culture takes place under fairy lights and the theatre spaces with their own bars and cafés are always places of neighbourliness and encounter, then you have arrived in the Czech Republic,“ said Paulina Platzer, delegate from Munich.
In Prague, the focus was on attending a two-day international conference on social and cultural policy issues in various European countries as a joint activity of the Bavarian delegation. Responsible by the Czech association „And. Čr“ and connected with „EAIPA“ (European Association of Independent Performing Arts). Beyond the many-voiced conference programme in which the Bavarian group took part, curator and project manager Petr Dlouhý arranged individual encounters between Bavarian actors and Czech local partners. Looking back on the trip and the networking potential, the Bavarian delegation found these encounters particularly valuable.
Last but not least, Bavarian artists from Ansbach and Munich showed their work in Prague, so that not only the group from Bavaria was able to experience a diverse programme of full-length local productions, but the Czech local scene also gained its first insights into working methods from Bavaria. On a structural level, it should be emphasised that representatives of the two associations that cooperatively support the platform project („And. Čr“ & „vfdkb“) came into direct exchange and now – in personal contact with each other – want to cooperate in the longer term.
And further reciprocal visits are planned, fortunately – in autumn 2023 in some towns in Bavaria, in 2024 – if sufficient funding is found from the Bavarian side – decidedly in more rural areas of the Czech Republic and Bavaria. The project initiators Julia Opitz and Axel Tangerding for the Bavarian side and Kryštof Koláček and Petr Dlouhý for the Czech side emphasise that knowledge transfer and creative forms of encounter will remain central to the further development of the Bavarian-Czech platform, as will process orientation and openness to results.
Über die Benachteiligung von Frauen und den Gender Pay Gap bzw. den Gender Show Gap im Kulturbetrieb wird gerade heftig diskutiert. Doch was können wir konkret tun, um diese Missstände in unseren Räumen und Institutionen aktiv zu beseitigen?
Der vfdkb lädt alle Mitglieder und Freund:innen am 17.07. zwischen 15 und 16.30 Uhr zu einem digitalen Runden Tisch zum Thema. Moderiert wird die Veranstaltung von unserer Vorständin Paulina Platzer.
Der Zoom-Link wird euch nach Anmeldung an info@vfdkb.de übermittelt.
Die Bewerbungsfristen für die „Strukturförderung Bayern“ und die „Wiederaufnahmeförderung Bayern“ des Förderpakets Freie Kunst 2023 wurden verlängert.
Bewerbungen sind nun bis zum 16.07. möglich.
Die Strukturförderung Bayern richtet sich an aktive Verbände, Produktionszentren, Netzwerke, Produktionsbüros und regionale Festivals der freien darstellenden Künste, die nicht überwiegend (d.h. über 50%) öffentlich mit bayerischen Mitteln (kontinuierliche Grundförderung bzw. institutionelle Förderung) finanziert werden.
Die Wiederaufnahmeförderung Bayern richtet sich an professionell tätige Künstler*innen/-gruppen der freien darstellenden Künste, die nicht öffentlich mit bayerischen Mitteln oder überwiegend (d.h. über 50%) öffentlich mit anderen Mitteln (kontinuierliche Grundförderung bzw. institutionelle Förderung) finanziert werden. Antragsteller*innen können alle freien und professionellen Theater, Theatergruppen und Theaterschaffenden in Bayern sein.
Eindrücke vom Besuch der bayerischen Delegation des Verbands Freie Darstellende Künste Bayern e.V. in Pilsen und Prag im Juni 2023
Im Rahmen der Bavarian-Čzech-Platform for the Independent Performing Arts besuchte eine Delegation des vfdkb vom 05. bis 09. Juni 2023 Pilsen und Prag. Unsere Mitarbeiter:innen und Kolleg:innen lernten dabei verschiedene Spielorte der freien Szene Tschechiens kennen, knüpften neue Kontakte und durften innovative Produktionen bayerischer Künstler:innen auf tschechischen Bühnen erleben.
Zwei unserer Delegierten, Felix Forsbach und Paulina Platzer, berichten von ihren Erlebnissen in Tschechien:
Felix Forsbach, Freier Schauspieler (Bamberg)
In der knappen Woche unseres Besuchs in den Städten Plzen und Praha waren wir Gäste einer internationalen Konferenz der freien darstellenden Künste, verantwortet durch den tschechischen Verband „And. Čr“ und „EAIPA“ (European Association of the Independent Performing Arts). Dabei hatten wir erneut Gelegenheit, sowohl bayerische als auch tschechische Produktionen der freien Szene zu besuchen. Die Eindrücke lassen sich insgesamt unter dem mit einem enormen Potenzial versehenen „voneinander Lernen“ subsumieren.
Wir können von der umfassenden Gastfreundschaft der tschechischen Gastgeber:innen lernen. Wir wurden sowohl bei der Konferenz als auch im Besonderen in den Theatern so herzlich und offen empfangen. Ich hoffe, dass wir diese Gastfreundschaft, welche sowohl die Unterbringung als auch die Führungen durch Spielorte und Städte umfasste, erwidern, wenn die tschechische Delegation im November Bayern besuchen wird. Die Offenheit der Ansprechpartner:innen und das Interesse an einem Austausch der Nachbarländer Bayern und Tschechien war bei allen Begegnungen sehr präsent. Es werden beispielsweise Sorgen bzgl. der Sprachbarrieren dadurch nivelliert, dass zahlreiche von mir besuchte Produktionen mit Untertiteln oder durch die Klarheit der Körpersprachen unbegründet sind. Wir verstehen uns auch ohne die gleiche Sprache. Es würde mich freuen, wenn wir auch in Bayern Produktionen als Gastspiele einladen können, die uns den Klang der Sprache unseres Nachbarn näher bringen.
Als große Inspiration ist für mich außerdem zu erwähnen, dass wir z.B. durch den geplanten „Staff Exchange“ von dem produzierenden Willen in tschechischen Spielstätten lernen können. Dies umfasst alle besuchten Spielorte. Beispielsweise im „Depo2015“ war trotz der Größe und Professionalität die Improvisation bei der Ermöglichung von Produktionen sehr beeindruckend. Ebenso das „Studio Alta“, welches ein außerordentlich progressives Programm in einem temporär nutzbar gemachten Leerstand kuratiert. Dieser Spielort war für mich das beste Beispiel für ein bayerisches Lernen. Es benötigt für die Präsentation von international relevanten und hochkarätigen Produktionen der freien Szene kein „perfekt“ saniertes Haus, sondern es kommt auf den Willen und die inhaltliche Kuration an nicht auf die Rahmenbedingungen. Dies wünsche ich mir seit Jahren für Bayern: Mehr kurzfristige Bespielung von Leerständen, ein Ausprobieren und ein Scheitern. Wenn künstlerische Programme in einem Theater, welches kaum saniert ist, scheitern, ist es ein großer Unterschied zum jahrelangen Erkämpfen von Spielorten und teuren Sanierungen, in denen Programme dann ebenso scheitern können. Da muss Bayern lernen und zwar am Modell Tschechien. Ebenso ist die Einbeziehung der Theater in der Fläche in Tschechien ein Erfolgsmodell, von welchem Bayern viel lernen kann. Dies hat mit der sehr guten Vernetzung der tschechischen Künstler:innen und Häuser zu tun.
Credits: Michaela Seifert
Der Besuch der Konferenz EIAPA lässt ein ambivalentes Gefühl bei mir zurück. Viele Themen und Probleme in den freien darstellenden Künsten sind in verschiedenen europäischen Ländern ähnlich und zum Teil noch prekärer und existenzieller als in Deutschland. Im Bezug auf die Bavarian-Čzech-Platform for the Independent Performing Arts sind für mich vor allem drei Vorträge der Konferenz bemerkenswert: Sowohl Stefan Prohov aus Bulgarien, als auch Diana Palm des Bundesverbands freie darstellende Künste e.V. beschäftigten sich mit der Herausforderung der nachhaltigen Produktion von Theaterproduktionen in den freien darstellenden Künsten. Dies zu berücksichtigen ist aufgrund der guten Bahnverbindungen und der geringen Distanzen zwischen Bayern und Tschechien für den grenzüberwindenden Austausch naheliegend. Statt weiterer europäischer Touren, die in jedem Fall wichtig für den Austausch sind, hat ein intensiverer Austausch von Theaterproduktionen zwischen Bayern und Tschechien ein sehr großes Potenzial. Es können mit geringen ökologischen Schäden Gastspiele in Bayern und Tschechien ausgetauscht werden und so die Beziehungen der Nachbarländer intensiviert werden. Einen Zusammenhang zwischen Förderstrukturen, Nachhaltigkeit und den Konsequenzen aus der Covid-19 Pandemie stellte der Münchner Wissenschaftler Thomas Fabian Eder dar. Aus seinem Vortrag heraus wird sehr deutlich, dass ein Lernen aus der Covid-19 Pandemie sehr schnell wieder verpuffte. Es müssten im Sinne der Nachhaltigkeit und auch im Sinne der besseren Arbeitsbedingungen die förderbedingten Produktionszwänge verringert und längerfristige Residenzprogramme (die in Tschechien bereits viel breiter vertreten sind als in Bayern) geschaffen werden. Ein Lernen aus den sehr guten Neustart Kultur- Programmen ist aus meiner Sicht essentiell für eine inhaltliche und organisatorische Weiterentwicklung der freien darstellenden Künste.
Neben den bereits erwähnten Erkenntnissen aus dem Besuch in Tschechien bleiben noch zwei weitere Punkte bei mir hängen: (1) Das transgenerationale Lernen zwischen Teilnehmer:innen, die bereits Ü70 sind und auf der anderen Seite Teilnehmer:innen, die Anfang 20 sind. Dieses voneinander Lernen bietet große Chancen für alle Künstler:innen. Neben dieser für mich sehr besonderen Erkenntnis bleibt außerdem (2) die Aussage des Leiters des Archa Theaters in Praha hängen. Die bayerischen Delegierten waren erschrocken und erschüttert, als er berichtete, dass das Archa Theater Ende des Jahres seine Pforten schließt und etwas Neues, eher ein Soziokulturzentrum, dort entstehen wird. Seine positive Haltung gegenüber der Veränderung und eine sichtbare Resilienz bei Veränderungen ist ein Vorbild für mich und sicher eine allgemeine Herausforderung der kommenden Jahre in den freien darstellenden Künsten.
Mein Fazit des Besuchs ist: Wir sollten offen sein für Neues, für Neues aus Tschechien und nicht in den bayerischen bzw. freien Theaterstrukturen, Förderungen, Spielplänen verharren und resignieren. Dann kann es nur gelingen – in Bayern, in Tschechien und in der Zusammenarbeit von tschechischen und bayerischen Künstler:innen.
Paulina Platzer, Vorsitzende des vfdkb (München)
Nach einem ersten Besuch der bayerischen Delegation in Prag im Rahmen des Malá Inventura Festivals im Februar und einem Gegenbesuch der tschechischen Delegation in Bayern freuten wir uns über den erneuten Austausch in Pilsen und Prag. Die gesamte Reise stand unter dem Motto der Vernetzung. So nutzten die Kunstschaffenden aus München, Erlangen, Nürnberg, Bamberg und Regensburg bereits die Zugfahrt nach Pilsen, um sich im ersten Schritt innerhalb der bayerischen Delegation zu vernetzen, bevor im nächsten Schritt die Begegnung mit den tschechischen Kunstschaffenden auf dem Programm stand.
Wenn Installationen die Innenhöfe schmücken, Kultur unter Lichterketten stattfindet und die Theaterräume mit eigenen Bars und Cafés immer gleichzeitig Orte der Nachbarschaft und Begegnung sind, ist man in Tschechien angekommen. Davon konnte sich die bayerische Delegation bereits bei ihrer ersten Spielort-Besichtigung im Depo2015 in Pilsen überzeugen. Die ehemalige Zuckerfabrik, die später als Lagerhalle für Busse diente, wurde zum Kulturareal umfunktioniert, als Pilsen 2015 den Titel „Kulturhauptstadt“ erhielt. Ein weitläufiger Innenhof mit gemütlichen Sitzgelegenheiten zwischen mit Bäumen bepflanzten Autos lud zum Verweilen ein. Das Innenleben des Kulturareals zeichnete sich durch Multifunktionalität und Wandelbarkeit aus. Neben unterschiedlichen Ausstellungsräumen fanden sich Werkstätten, Ateliers, kleine Läden mit nachhaltigen Konzepten, eine Bar sowie eine große Halle, die für Konzerte, Events und Performance vermietet wird.
Nach einer kurzen Stärkung im hauseigenen Café führte Petr Dlouhy die bayerische Delegation in die Moving Station. Die ehemalige Wartehalle wurde zum Theater umgebaut, nachdem die Ruine 2000 mit großem Erfolg im Rahmen eines tschechischen Theaterfestivals bespielt worden war. Neben einer Bühne sowie Proben- und Workshopräumen beherbergt die Moving Station auch ein eigenes Appartement für Gastkünstler:innen und Residencies. Nach einer Führung durch das Theater besuchte die Delegation die tschechische Zirkus-Performance „Meringue and Pickles“. In einem gemütlichen Setting mit Pizza und Getränken aus der Theaterbar folgte ein Nachgespräch mit den Performerinnen und dem künstlerischen Leiter der Moving Station sowie ein kurzer Film über die aufwändige Renovierung des Gebäudes.
Am nächsten Morgen setzte die Delegation ihre Reise von Pilsen nach Prag fort. Der erste Programmpunkt des Tages war der Besuch des zukünftigen Kulturzentrums Velky Mlyn. Das Erdgeschoss der ehemaligen Mühle soll in naher Zukunft als Bibliothek dienen, im Keller befindet sich ein Aufführungsraum für Performances und Konzerte. Die bayerische Delegation wurde sehr herzlich mit einem reichhaltigen Buffet und Welcome-Drinks zu einem ersten großen Vernetzungstreffen empfangen. Unter die Delegation mischten sich in ungezwungener Atmosphäre internationale Kunstschaffende, Redner:innen sowie Besucher:innen der „And. Čr & EAIPA Konferenz“. Zum Abschluss des zweiten Tages besuchte die Delegation die Performances „Visual Vibrations“ von Kassandra Wedel und Rosalie Wanka sowie „Headless Mule“ von Martin Talaga im Studio Alta, einer ehemaligen Brauerei, die erst wenige Wochen zuvor eröffnet worden war.
Der dritte Tag begann für die Delegation im Vzlet Theater. Das ehemalige Kino wurde nach Renovierungsarbeiten 2021 als Theater eröffnet und diente an diesem Tag als Austragungsort der „And. Čr & EAIPA Konferenz“. Internationale Redner:innen hielten Impulsvorträge und diskutierten in Podiumsdiskussionen. Thematisiert wurden Herausforderungen und Potenziale im europäischen Vergleich, Diversität und die BY-ČZ-Platform als Vernetzungsstrategie. Im Anschluss der Konferenz setzte die Delegation ihre Spielort-Tour durch Prag fort und besichtigte das Archa Theater. Ebenso wie am Vortag folgten zwei Performances. Die Delegation besuchte die tschechische Performance „8 Compositions“ und „Alien Reality“ von Daniela Aue als Gastspiel im Rahmen der tschechisch-bayerischen Plattform. Petr Dlouhy hatte vor der Vernetzungsreise Interessen und Wünsche der bayerischen Delegation abgefragt und bewies sich als Meister des Match-Makings. Entsprechend der individuellen Angaben wurden unabhängig vom gemeinsamen Programm der Delegation einzelne Vernetzungstreffen mit tschechischen Akteur:innen der freien Szene organisiert. Der Grundstein für zukünftige Kooperationen war gelegt.
Am nächsten Tag folgte der zweite Teil der „And. Čr & EAIPA Konferenz“ im Vzlet Theater. Besprochen wurden die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf Arbeitsbedingungen und Ästhetik der freien darstellenden Künste, Nachhaltigkeit und gerechte Arbeitsbedingungen in Europa. Am Nachmittag teilte sich die Delegation auf, um unterschiedliche Performances zu besuchen. Auf dem Programm stand die zeitgenössische Zirkus-Performance „CM_30“ von Kolia Hunek im Theater Bravo als Gastspiel im Rahmen der bayerisch-tschechischen Plattform sowie die tschechische Kindertheaterproduktion „The Jungle Book“ im Theater Azyl78. Bevor sich die Wege der Gruppe am nächsten Tag (vorerst) wieder trennen sollten, traf sich die Delegation mit allen neu geknüpften internationalen Kontakten zu einer gemeinsamen Abschlussparty.
Um viele Eindrücke, Inspirationen und zukünftige Kooperationspartner:innen reicher trat die bayerische Delegation ihre Heimreise an. Nun bleibt mit Freude abzuwarten, welche spannenden Projekte zwischen den tschechischen und bayerischen Kunstschaffenden in Zukunft auf dem durch die BY-ČZ-Platform gelegten Grundstein aufgebaut werden.
Das Theater Wasserburg und wir laden euch im Rahmen der „Wasserburger Theatertage“ zum Runden Tisch!
Über Nachhaltigkeit wird nun wirklich überall geredet. Wie sieht die Umsetzung aber in der Praxis aus, wenn es ganz konkret darum geht, einen Generationenwechsel zu vollziehen – so wie er geplant oder ungeplant an etlichen freien Häusern jetzt bzw. in den kommenden Jahren ansteht?
Nach einem Impuls aus der Praxis vom Theater Wasserburg möchten wir an diesem Runden Tisch mit euch darüber sprechen, wie sich bestehende Strukturen nachhaltig sichern lassen und zugleich in Punkto Nachhaltigkeit weiterentwickelt werden können.
📆 Zeit: 20.06.2023, 16-18 Uhr 📩 Anmeldung via Mail an info@vfdkb.de
Wir freuen uns euch und eure Freund:innen und Kolleg:innen aus dem Kulturbetrieb!
Die beiden Landesverbände laPROF Hessen und vfdkb fragen sich in der Workshop-Serie „ist=divers?“, wie sich die Diversität unserer Gesellschaft stärker in Projekten, Teams und Publikum der freien darstellenden Künste abbilden kann.
Aus den vier bislang abgehaltenen Workshops nehmen wir mit: Vieles muss sich ändern! Wir müssen Intersektionalität und Barrierefreiheit lernen, Klassismus und Ableismus verlernen. Und das braucht Zeit – Probezeit.
Lasst uns am 24.05. und 25.05. im Rahmen unserer Online-Konferenz „Probezeit“ gemeinsam diskutieren, wie es weitergehen kann! Welche kleinen Werkzeuge gibt es, um Diskriminierungssensibilität in die Arbeitsweisen einzubinden? Für wen will ich wie Theater machen? Wie hilft mir das Bewusstsein um Barrieren und Unterdrückungen?
Mit Ming Poon, Kassandra Wedel , Josefine Findeisen, Sharon Jamila Hutchinson und Marque Pham (United Networks / angefragt)
📆 Zeit: 24.05. + 25.05., 16.30-20.00 Uhr 📩 Anmeldung via Mail an anmeldung@laprof.de
Der vfdkb hat von Seiten des Bayerischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst im Haushaltsjahr 2023 wieder Gelder für die freien darstellenden Künste in Bayern bewilligt bekommen.
Die Förderungen erfolgen im Rahmen von vier Programmen: Prozessförderung, Strukturförderung, Wiederaufnahmeförderung und Koproduktionsförderung.
Alle Infos zu den Inhalten, Deadlines und Regularien sowie zu unserer Ansprechpartnerin Bojena Todorow finden sich HIER.